Sehnsucht nach Wien
Hintergrund
Wien war seit jeher ein großer Sehnsuchtsort mit starker Anziehungskraft für viele Menschen und im besonderen Musiker und Komponisten. Als allerdings in den 1930er Jahren der Antisemitismus und Nationalsozialismus überhandnahm und Menschen aufgrund ihres Glaubens oder ihrer politischen Überzeugung diskriminiert, drangsaliert und mit dem Tode bedroht wurden, waren viele Künstler gezwungen, ihre geliebte Heimatstadt zu verlassen um einem noch schlimmeren Schicksal zu entgehen. Die Lebenswege der Komponisten im Exil verliefen sehr unterschiedlich, zum Teil tragisch, zum Teil erfolgreich. In jedem Fall war der Verlust der Heimat und ihres familiären und künstlerischen Umfelds ein grober Einschnitt, der deutliche Spuren in ihrem Leben und in ihrem künstlerischen Schaffen hinterließ.
Das österreichische Orchester Divertimento Viennese, das seinen Repertoire-Schwerpunkt auf die Werke ehemals verfemter und zur Emigration gezwungener Wiener Komponisten gelegt hat, möchte gemeinsam mit den beiden renommierten österreichischen Sängern Rafael Fingerlos und Norbert Ernst einen jungen, liebe- und humorvollen Blick auf das Repertoire genau jener Komponisten richten. Mit großer Wertschätzung und ohne Larmoyanz sollen - in der aparten Kombination von Bariton und Tenor - Meisterwerke aus verschiedenen Schaffensphasen der Meister präsentiert werden. Ihnen allen gemeinsam ist der Wienerische Ton, in dem sie geschrieben sind. Selbst bei Kompositionen, die im erzwungenen Exil entstanden sind, ist die (nostalgische) Liebe zu Wien immer spürbar.
Erich Wolfgang Korngold galt in den 1910er und 20er Jahren als das kompositorische Wunderkind Europas, durch die Flucht nach Amerika veränderte sich sein künstlerischer Weg drastisch, und er wurde der Begründer der symphonischen Filmmusik Hollywoods. Wie Korngold war auch Karl Weigl ein Schüler Alexander Zemlinskys, 1918 wurde der Schöpfer großer symphonischer und kammermusikalischer Werke selbst Professor für Komposition an der Wiener Musikuniversität. 1938 gelang ihm die Flucht in die Vereinigten Staaten; dort musste er anfangs mit Privatstunden ums Überleben kämpfen. Später unterrichtete er an mehreren renommierten Instituten. Er nahm zwar 1944 die amerikanische Staatsbürgerschaft an, hing aber bis zuletzt mit seinem Herzen an seiner alten Heimat. Emmerich Kálmán war vor seiner Emigration neben Franz Lehár der bedeutendste Komponist der silbernen Operetten-Ära. In Amerika war sein Erfolg aufgrund der Verpflanzung in eine völlig anders funktionierende Unterhaltungsbranche bescheidener. Ernst Krenek schuf mit der Oper „Johnny spielt auf“ jenes Werk, das die Nazis als Aufhänger für ihre menschenverachtende, rassistische, antijüdische Ausstellung „Entartete Musik“ nutzten. Er emigrierte ebenfalls in die USA. Walter Jurmann ist der Schöpfer unvergesslicher Schlager, er konnte nach seiner Emigration auch in Hollywood reüssieren. Auch Oscar Straus und Ralph Benatzky wanderten über Paris nach Amerika aus, wo sie schliesslich in Hollywood lebten. An ihre Erfolge aus den 1910er, 20er und 30er Jahren konnten sie dort nicht anschließen und mussten u.a. als Übersetzer arbeiten.
Programm
5. Juli 2020, Brucknerhaus Linz, Großer Saal
Konzert mit Rafael Fingerlos und Norbert Ernst
Erich Wolfgang Korngold
Suite aus „Viel Lärmen um nichts“ (1918)
- Ouvertüre
- Mädchen im Brautgemach
- Lied des Balthasar
- Gartenszene
- Schlusstanz
Nachtwanderer und Liebesbriefchen
aus Sechs einfach Lieder, op. 9 (1911)
Mein Sehnen, mein Wähnen
Tanzlied des Pierrot aus „Die tote Stadt“ (1920)
Karl Weigl
Tänze aus Wien (Old Vienna) (1939)
Ernst Krenek
Leb wohl, mein Schatz
Blues aus „Johnny spielt auf“ für Salonorchester (1925)
Unser Wein und Heimkehr
aus „Reisebuch aus den österreichischen Alpen“ (1929)
Motiv und Regentag
aus „Reisebuch aus den österreichischen Alpen“ (1929)
Ralph Benatzky
Es muß was Wunderbares sein
aus „Im weißen Rößl“ (1930)
Emmerich Kálmán
Grüß mir mein Wien
aus „Gräfin Mariza“ (1924)
Komm Zigany
aus „Gräfin Mariza“ (1924)
Walter Jurmann
Ninon, lach mir einmal zu
aus „Ein Lied für Dich“ (1933)
Erich Wolfgang Korngold / Johann Strauss
Du bist mein Traum
aus „Das Lied der Liebe“ (1931)
Erich Wolfgang Korngold
Straussiana (1953)
Oscar Strauss
Leise, ganz leise
aus „Ein Walzertraum“ (1907)